Anleitung, die Deutschen zu lieben

Wenn alles anfängt

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© il Deutsch-Italia
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Die Feier, ohne Jubel, aber fröhlich, fand im Regen statt, und was meine Freunde aus der DDR anscheinend am meisten beeindruckte, war, daß ihre Landsleute »sich trauten, ihre Autos auf den Gehsteigen Unter den Linden zu parken«. Ihre Welt ging in die Brüche.

In der Silvesternacht kletterten von Bier und Feuerwerk beschwingte Berliner auf das Brandenburger Tor und beschädigten die bronzene Quadriga. Einer fiel herunter und starb. So begann das Jahr, das die deutsche Einheit bringen würde; ein paar Monate vorher hatten laut Meinungsumfrage nur sieben Prozent der Deutschen gehofft, diese eines Tages erleben zu können. Selbst Gorbatschow sagte: »In der Geschichte kann man nichts ausschließen, aber vielleicht wird man im nächsten Jahrhundert darüber sprechen.« Die Ankündigung einer großzügigen Geldspritze, die Kohl ihm bei dem Treffen im Kauka­sus im Juli 1990 machte, beschleunigte die »Prozedur«.

Ihm gefalle die Geschwindigkeit nicht, in der das Land sich auf die Wiedervereinigung zubewege, wagte Günther Grass in einem Fernsehduell mit Rudolf Augstein einzuwenden, dem Gründer und Herausgeber des Spiegels, der ein Pfeiler der Demokratie in der Bundesrepublik ist und war.

Die Wiedervereinigung habe begonnen, und man könne den Zug nicht aufhalten, erwiderte Augstein, der zur allgemeinen Verwunderung schon bald auf der Welle der nationalen Euphorie mitschwamm.

Die Züge der Geschichte, die nicht mehr aufzuhalten seien, hätten ihn schon immer erschreckt, sagte der Autor der Blechtrammel. Er stammt aus Danzig und hat von klein auf am eigenen Leib den Werdegang einer Heimat erfahren, deren Grenzen so unbeständig waren wir die Gezeiten. Sein eigener galt als Schrulle eines Intellektuellen.

Bei der Einheit habe die Traurigkeit Pate gestanden, erklärt Grass. Das Geld ersetze den Mangel an Ideen, und man opfere dem Goldenen Kalb, der Deutschen Mark.

Auch ein noch so dicker Scheck reicht nicht, um Gorbatschow zu gewinnen. Der frühere sowjetische Botschafter Falin, sein persönlicher Freund, der die Deutschen sehr gut kennt, überzeugt ihn, die Wiedervereinigung sei möglich, weil die neuen Deutschen unfähig seien, einen Krieg zu führen …, deshalb stelle das vereinigte Deutschland keinerlei Gefahr für die Sowjetunion dar.

Im Westen ist das Mißtrauen stärker und offensichtlicher.

Fast ein halbes Jahrhundert lang, sagt der Historiker Arnulf Baring, hätten die Menschen im Westen, wie sehr sie sich anfänglich auch bedroht gefühlt hätten, in stabilen und berechenbaren Verhältnissen gelebt, und in diesen Jahrzehnten seien sie zu großem Wohlstand gekommen. Im Osten des Kontinents, also auch in der deutschen Sowjetzone, hätten zur gleichen Zeit Terror und Stagnation geherrscht … Jetzt hätten sich Wohlstand und Trostlosigkeit vereint.

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