Anleitung, die Deutschen zu lieben

Wenn alles anfängt

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© il Deutsch-Italia
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Ich fühlte in diesem Augenblick, daß sich die Stimmung in Deutschland geändert hatte, daß die Wiedervereinigung, gegen die die Amerikaner, Engländer, Franzosen, selbst Deutsche sich noch wehrten, bereits vollzogen war, daß zwischenstaatliche Abkommen diese nur bestätigen und nicht entscheiden würden.

Große Ereignisse beginnen mit belanglosen kleinen Dingen. Bereits wenige Tage nach dem Fall der Mauer erschienen die Landkarten der Wettervorhersage im Fernsehen ohne Grenzen, und es wurden Temperatur und Luftdruck in Leipzig und Frankfurt an der Oder genannt, auch wenn man für eine Reise dorthin noch immer ein Visum brauchte.

Ende des Sommers, als die Flüchtlingsströme aus der DDR Honeckers Regime in die Knie zwangen, interviewte ich Professor Jens Reich, Biologe von Weltruf, der zu den Gründern des Neuen Forum gehörte, der ersten offiziellen Protestbewegung.

»Glauben Sie, daß eine Wiedervereinigung zustande kommen könnte?« fragte ich ihn, aber es war eine hypothetische Frage.

»Aber warum bloß? Deutschland war nur siebzig Jahre lang vereint, und es waren nicht die glücklichsten seiner Geschichte. Es gibt für die Bewohner von Sachsen oder Brandenburg im Osten, oder des Rheinlandes oder Hessens im Westen eine Identität, die vielleicht stärker ist als die nationale Identität eines großen Deutschland.«

Die ersten Demonstranten in Leipzig, ein paar hundert zu Beginn, die aus der Nikolaikirche kamen und durch das Stadtzentrum zogen, wurden von der Stasi, der Geheimpolizei, attackiert, weil sie Schilder mit der Aufschrift »Wir wollen hierbleiben« trugen.

Aber Professor Reich und viele andere mit ihm täuschten sich.

Als Kohl aus Dresden zurückkehrte, traf er Mitterrand in Berlin, der dort zu Besuch weilte. Gerade an diesem Tag sollte das Branden­burger Tor, Symbol der Militärmacht Deutschland, wieder geöffnet werden. »Gehen Sie zu der Feier?« fragten wir den französischen Präsidenten, der gerade die Studenten der Universität Leipzig für sich eingenommen hatte; er hatte ihnen gesagt, er liebe das deutsche Volk, das ihm geholfen hatte, als er aus einem Gefangenenlager in Thüringen geflohen war und zu Fuß in seine Heimat zurückkehrte.

»Nein«, antwortete er trocken. »Und wenn Sie mich fragen, warum nicht, dann sage ich Ihnen, daß ich nicht eingeladen bin. Und wäre ich eingeladen worden, dann hätte ich auch nein gesagt.«

In diesem Moment reichte ihm ein Angestellter der französischen Botschaft eine Karte; Mitterrand konnte ein schadenfrohes Lächeln nicht verbergen: »Aber man teilt mir mit, daß es keine Feier geben wird.« Aber die Diplomaten hatten Feier falsch übersetzt. Es sollte kein Jubelfest sein wegen der Toten von Timisoara, die großenteils eine Erfindung des Fernsehens waren, aber eine Feier sollte stattfinden. Muß man Freud bemühen, um diesen Fauxpas zu erklären? Und das Brandenburger Tor steht auch noch am Pariser Platz.

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