Anleitung, die Deutschen zu lieben

Draussen…

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Draussen © il Deutsch-Italia
Draussen © il Deutsch-Italia
Ekstase im Stau

Die Deutschen fahren nicht in Urlaub. Sie emigrieren. Ein biblischer Exodus gen Süden, in den warmen mediterranen Bauch. Sonne ist ja auch ein Femininum. Sie starten in Reih und Glied, Stoßstange an Stoßstange, das Radio auf den Sender eingestellt, der wie ein quälender Kriegsbericht in regelmäßigen Abständen die Verkehrsbedingungen durchgibt. Alle bewegen sich, im gleichen Schicksal vereint, ob im Mercedes oder im Trabant, auf ihr programmiertes, unvermeidliches, ersehntes Waterloo am Kamener Kreuz zu, dem Autobahnknotenpunkt im Herzen des Ruhrgebietes zwischen Norden und Süden, Osten und Westen. Es handelt sich nicht um eine simple Kreuzung, es sieht nur so aus, denn es ist der Mahl ström der Autobahnen; er zieht sie von Auffahrt zu Auffahrt in seinen Strudel hinein, der immer weiter, immer tiefer wird, ein unentwirrbares Knäuel bis zur absoluten Vollkommenheit, zur Ekstase im Stau. Der Stau als kantische Maxime.

Nichts bewegt sich mehr, in keine Richtung. Man schaut sich durch die Fenster an, Freundschaften werden geschlossen, am Straßenrand werden Picknicks improvisiert, man lädt die zufälligen Freunde an den Grill, als wäre es ein Opferplatz und Scheiterhaufen, und bringt der Gottheit Auto als Weihgabe die Würstel dar.

Bevor ich mich ans Steuer setze, ziehe ich den bundesweiten Ferienplan zu Rate, wie ein Skipper des Amerika-Cups, der Strömungen und Windstärke prüft.

Die Ferien im arbeitsamen Deutschland sind zahlreich und kapriziös, zu Recht von Bundesland zu Bundesland, von Fabrik zu Fabrik gestaffelt, um eine festlich gestimmte Lähmung wie die unseres Ferragosto zu vermeiden. Zuletzt macht Bayern Schluß, das im zumindest für dortige Verhältnisse heißen Süden liegt, wo die Richter den Föhn, jenen feuchten, heißen Wind, der von den Bergen kommt und Körper und Geist durcheinanderbringt, auch für den grausamsten Massenmörder als mildernden Umstand gelten lassen. Bis hinauf zur Ostsee verschiebt sich nach und nach der Ferienbeginn von Juni auf Juli.

Das ist alles nicht einfach. Es beginnt mit zwei Wochen zu Weihnachten, dann gibt es zwei weitere Wochen im Februar, die sogenannten Skiferien, auch zu Ostern sind zwei Wochen frei, und nicht zu vergessen die Pfingstferien, eine Art deutscher Ferragosto. Mit dem Wohlstand haben die Deutschen auch die Kunst erlernt, die Wochenenden zu verlängern, und kein anderes europäisches Land hat mit all den katholischen und evangelischen Festen und zivilen Gedenktagen derart viele Feiertage, nämlich achtzehn oder neunzehn In Bayern ist die Unbefleckte Empfängnis ein Feiertag, im lutherischen Preußen war es der inzwischen abgeschaffte Büß- und Bettag, und in den konfessionell gemischten Bundesländern feiern im Namen des ökumenischen Geistes aus Rücksicht auf die anderen alle alles.

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