Anleitung, die Deutschen zu lieben

Anleitung, die Deutschen zu lieben

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Nach der Wiedervereinigung sind Zahlen noch trügerischer geworden, und die von Durchschnittswerten und Prozentsätzen verschreckten Deutschen verkomplizieren die Sache, indem sie sie manchmal »vereinigt«, manchmal getrennt nach dem früheren Westen und dem ehemaligen Osten angeben. So werden sie, was das »BSPpK«, Bruttosozialprodukt pro Kopf, anbelangt, auf den dritten oder aber einen verschämten sechzehnten Platz gesetzt, nach Italien und Österreich. Die Franzosen sagen sogar, Deutschland sei »ein Ölfleck im Zentrum der Landkarte Europas«. Mit klaren Grenzen wie Ostsee und Nordsee oben, den Schweizer Bergen unten, dem Rhein links und Oder/Neiße rechts? Natürlich ist nicht die geographische Landkarte, sondern die Landkarte des nationalen Bewußtseins gemeint. Und Zitate (das eine oder andere wird es doch geben) sind dazu angetan, hinsichtlich der nächsten Frage Zweifel aufkommen zu lassen: Man weiß nicht, wo dieses Deutschland liegt, man möge also aufpassen, auf was es sich zubewegt. Dabei denkt man an den Osten. Die ewige Versuchung Deutschlands zwischen den Wonnen der Villa Lumière als Symbol des Westens und der auch vom Rheinländer Adenauer gefürchteten sibirischen Tundra. Die Deutschen schwanken, weil sie nicht besonders selbstbewußt sind, nicht so selbstbewußt wie die Briten. Franzosen oder Spanier. Auch wir Italiener schwanken, nicht horizontal, sondern vertikal, zwischen dem europäischen Norden und dem tiefen arabischen, afrikanischen Süden.

Deutsch sein ist nicht das Resultat eines »Bewußtseins an sich«, sondern nur das Ergebnis eines »Bewußtseins gegen«. Die Deutschen als Nation sind geboren gegen Frankreich, gegen Napoleon. Nichl zufällig wurde das Zweite Reich im Spiegelsaal von Versailles ausgerufen, was das besiegte Frankreich zusätzlich demütigte. Sogar die Wahl des Saales ist sinnträchtig, mit diesen dunkel gekleideten Herren – nur Bismarck in schneeweißer Uniform wie eine schnurrbärtige junge Braut vor dem Altar —, die von Spiegel zu Spiegel reflektiert werden, schillernd und trügerisch.

Eine Doppeldeutigkeit, die keines der Themen ausläßt, vor denen man auf der Hut sein sollte, wie Volker Elis Pilgrim in seinem Buch „Muttersöhne“ aufzeigt. Napoleon und Hitler waren Muttersöhne, und Bismarck auch. Sie zweifeln an ihrer Männlichkeit und neigen dazu, grausame Diktatoren oder Massenmörder zu werden.

Beiden deutschen Staaten wurde fast ein halbes Jahrhundert lang das Bewußtsein vorenthalten, eine Nation zu sein. Die DDR mußte sich nationale Wurzeln in der Ideologie erfinden, im Sozialismus, den sie auf mehr oder weniger logische Weise mit älteren Wurzeln zu vermischen suchte; Martin Luther machte sie zu einem Marxisten avant la lettre, obwohl er am Ende die Bauern an die Fürsten »verraten« hatte, im Gegensatz zu Thomas Müntzer, der dafür seinen Kopf verlor; und hatte Friedrich II. etwa nicht gesagt, daß »alle geboren werden, um auf dieser Erde glücklich zu sein«? Eines der Marxsehen Prinzipien!

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