Anleitung, die Deutschen zu lieben

Anleitung, die Deutschen zu lieben

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Kapitel 1
Deutschland und die Deutschen
SOLLEN WIR SIE WIRKLICH GERN HABEN?

Die Anleitung, die Deutschen zu lieben wird einiges Achselzucken hervorrufen. Manch einer wird lächelnd den Kopf schütteln. Das kann ja nur ein Scherz sein. Wer kann schon die Deutschen liehen? Sie lieben sich ja nicht einmal selbst! Gewiß, lieben ist ein starkes Wort. Man sollte nie ein ganzes Volk lieben, und das eigene schon gar nicht.

Sagen wir, die Deutschen sind mir sympathisch. Und sie sind den Italienern ähnlicher, als wir meinen, wir, die Italiener, und sie. Ich fürchte, daß jetzt die Deutschen an der Reihe sind, die Achseln zu zucken. »Italienische Verhältnisse«, das ist ein Begriff, der in Deutschland Furcht auslöst. Man denkt an Unordnung und Chaos, Streik und Inflation. politische Instabilität und Mißwirtschaft. So wie für uns »teutonisch« synonym ist mit Ordnung, Genauigkeit, Zuverlässigkeit, hoher Qualität. Und mit Grausamkeit natürlich. Mafia und Nazismus.

Aber in dem Vierteljahrhundert, in dem ich die deutsche Gesellschaft aus nächster Nähe kennengelernt habe, haben sich ihre Vorurteile gegen uns gemildert, während die unseren eigensinnig dieselben geblieben sind. Wir haben sie nicht allein, um ehrlich zu sein. Auch die anderen Europäer nähren solche Vorurteile gegen die Deutschen, mit nur wenigen Nuancen. Es ist so, ob man will oder nicht: Die Beziehungen innerhalb Europas sind von Vorurteilen durchwoben. Sie sind gewissermaßen ihr Bindemittel, und im Grunde ist es gar nicht wünschenswert, sie aufzugeben.

Die Briten rauchen Pfeife und sind unerschütterlich, sie stehen Schlange und kochen schlecht. Die Spanier bringen um fünf Uhr nachmittags Stiere um, nur selten ist es umgekehrt. Die Holländer sind geizig, die Belgier können nicht Auto fahren, die Schweden sind freizügig in der Liebe, wir Italiener singen »’O Sole mio« und essen dabei Pizza und Spaghetti. Nichts Schlimmes im Grunde.

Allein die Vorurteile gegen die Deutschen bilden eine mehr oder weniger unerklimmbare Mauer zwischen Deutschland und dem Rest Europas an der östlichen und der westlichen Front (dies ist der geeignetste Ausdruck). Paradoxerweise sind es vor allem die positiven Vorurteile, die zu Distanzierung, Mißtrauen und Antipathie führen. Die nahezu unermüdlichen und beinahe perfekten deutschen Arbeiter flößen anderen Furcht ein. Das Made in Germany ist noch synonym mit besserer Qualität, und die D-Mark gilt wegen ihrer außerordentlichen Stabilität als Ursache all unserer finanziellen Nöte. Im tiefsten Innern fürchten wir, besiegt, zermalmt zu werden, gestern auf dem Schlachtfeld, heute im Kampf um Wirtschaft und Industrie. Und wir reagieren mit nicht immer gerechten Angriffen, die oft ganz und gar unmotiviert sind.

Die Deutschen sind selbst auch ein wenig verantwortlich dafür: In Deutschland bildet man sich etwas darauf ein, ordentlicher, zuverlässiger, fleißiger, fortschrittlicher und ehrlicher zu sein als die Nachbarn. Man hat dort so etwas wie einen Klassenprimus-Komplex. Einigen Umfragen zufolge halten sich knapp 80 Prozent für die Besten der Besten. Und sie belügen sich damit selbst: Die Deutschen fürchten, die Tugenden von früher verloren zu haben und ins Chaos zu stürzen. So wie die Italiener.

Der Grund für die schwierigen Beziehungen zwischen ihnen und uns liegt in einem Mißverständnis. Wir werden ihnen gegenüber grob, weil wir uns schwächer fühlen. Die Deutschen fühlen sich angegrif­fen und verraten, im ungünstigsten Augenblick, denn sie befinden sich gerade in einer schwierigen historischen Phase, hervorgerufen durch die unerwartete Wiedervereinigung. Sie verstehen nicht, was man ihnen vorwirft, reagieren mit Härte, und schon werden die Vor­urteile wieder genährt.

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