Anleitung, die Deutschen zu lieben

Anleitung, die Deutschen zu lieben

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Die Nation

Was ist Deutschland? Wohin treibt Deutschland?

Solchen Überschriften begegnet man immer wieder in renommierten Zeitungen wie Le Monde oder The Times, der Neuen Züricher Zeitung oder der Zeit. Sie stehen über einer ganzen Seite, die mit winzigen Buchstaben eng bedruckt ist, und nicht einmal ein Photo oder eine kleine Landkarte findet sich hier, um auch ja keinen Zweifel an der Seriosität der sozioökonomisch-ethnopol¡tischen Analyse aufkommen zu lassen (wie Sie sehen, lassen sich im Italienischen genauso lange Wörter bilden wie im Deutschen).

Ich reagiere auf zweierlei Weise. Es schaudert mich, weil mein gefürchteter früherer Chef bei La Stampa jedem mit Entlassung drohte, der eine Überschrift mit einem Fragezeichen versah, und dann reiße ich die Seite heraus und lege sie in meinem ungeordneten Archiv ab. Kein Journalist kann dieser Versuchung widerstehen. »Wohin geht Belize?« Weg mit dem Artikel in eine Extramappe, man kann ja nie wissen, ob man ihn nicht morgen braucht, wie ein Eichhörnchen, das Nüsse für den Winter beiseite legt. Wird man dann nach Belize geschickt, um darüber zu berichten, findet man den Artikel gewöhnlich nicht, oder man hat keine Zeit, ihn zu suchen, oder man nimmt ihn mit und liest ihn nicht. Für den Journalisten ist das Archiv ein Talisman und kein Werkzeug.

Meine Schubladen quellen über von Artikeln über den Begriff Deutschland, und meine Bücherregale beherbergen schwierige Essays über die deutsche Nation in vier Sprachen. Aber zurück zu den Vorstellungen meines Chefs. Es ist ja nicht so, daß diese Artikel keine Antworten geben würden. Viel schlimmer: Sie geben ihrer zu viele, sie beantworten alle. Deutschland schwebt irgendwo zwischen dem Atlantik und dem Ural, ausgepreßt, konzentriert oder verwässert, ein Cocktail, in dem wir Wagner und Hitler, Heine, Goethe, Mercedes, Beckenbauer und den Alten Fritz, Luther, Bier und Würstel finden. Das Ergebnis des Zaubertranks ist, weil garantiert seriös, meistens todlangweilig. Also erspare ich Ihnen eine weitere prätentiöse Abhandlung, die sich diesen Fragezeichen widmet. Man kann ja sowieso alles und jedes und auch das Gegenteil beweisen. Ein tüchtiger Journalist kann Sie auch davon überzeugen, daß Frankreich irgendwo zwischen dem Rhein und den Pyrenäen oder zwischen dem Mittelmeer und dem Ärmelkanal liegt. Für eine deutsche Zeitschrift habe ich sogar einmal geschrieben, »mein« Palermo sei eine mitteleuropäische Stadt, was widerspruchslos hingenommen wurde. Es stimmt ja auch, ist aber irreführend.

Mein Palermo ist habsburgisch oder normannisch, so wie mein Deutschland mediterran sein kann. Meine Antwort auf die Fragezeichen ist bestimmt ebenso subjektiv, unvollständig und wenig glaub­würdig wie die seriösen Essays von Historikern und Soziologen, und daher kann ich Ihnen auch so manches Zitat ersparen, das nur beweisen würde, daß ich meine Hausaufgaben gemacht habe

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