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Deutsche in Rom – oder, sind wir nicht alle Römer?

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Isola Tiberina © il Deutsch-Italia
Isola Tiberina © il Deutsch-Italia

Die Ewige Stadt war schon immer ein »deutsches« Thema. Die Barbaren machten dem alten Rom ein Ende. Otto der Große gründete das Heilige Römische Reich. Im Mittelalter kamen die zahllosen Pilger, die Handwerker und die ersten Künstler. Ihnen folgten Gesandte, Schriftsteller, Journalisten und Schauspieler. Oft reisten diese unter sehr schweren Bedingungen an. Ihr Ziel: Rom! Einmal angekommen, blieben viele von ihnen außen vor, andere nahmen nach und nach Fühlung mit der Stadt. Wenige wurden zu Römern unter Römern.

Otto III.
Otto III © Bayerische Staatsbibliothek Wikipedia

Otto III. © Bayerische Staatsbibliothek Wikipedia

Otto ist das vorbildlichste geschichtliche Opfer des Enthusiasmus der Deutschen für Bella Italia, wohin sie stets ein hingebungsvoller Trieb gezogen hat. In seinen sechs Kaiserjahren verbrachte er mehr Zeit in Rom als jeder andere mittelalterliche Kaiser vor und nach ihm.

Von Zeit zu Zeit versinkt der kaiserliche Jüngling in mystische Schwärmerei, auf der anderen Seite sieht er sich als einen weltentsagenden Büßer. Er reist nach Subiaco ins Kloster der Benediktiner. Weiter wird in Quellen berichtet, dass Otto sich mit dem Bischof Franco von Worms ganze zwei Wochen in eine Höhle bei San Clemente in Rom zurückgezogen habe, wo die beiden barfuß und im einfachen Gewand beten und fasten. Im Jahr 989 lässt Otto III. die Kirche San Bartolomeo auf der Tiberinsel bauen, und zwar dort, wo sich bereits 289 v. Chr. die Leidenden um eine Äskulap-Statue versammelten und eine mysteriöse Kur erhielten.

Ospedale Fatebenefratelli © il Deutsch-Italia

Ospedale Fatebenefratelli © il Deutsch-Italia

Die jahrtausendealte Tradition der Insel als Heilstätte setzt das gegenüberliegende im Jahr 1584 gegründete Hospital Fatebenefratelli („Brüder, die Gutes tun“) fort. Während der deutschen Besetzung Roms im Zweiten Weltkrieg brachten die Brüder viele Juden in ihrem Spital unter und gaben sie als Patienten aus.

Die mittelalterliche Kirche ist dem heiligen Bartholomäus geweiht, dessen Gebeine Otto im Jahre 983 nach Rom bringen lässt.

Hochzeit Tiberinsel © Martina Kliem

Hochzeit Tiberinsel © Martina Kliem

Im Inneren befindet sich ein kleiner Brunnen aus der ottonischen Zeit, der vermutlich auf dem antiken Brunnen des Aeskulapius-Tempels errichtet wurde. Die Statuen um den Brunnen stellen Jesus, Bartholomäus, Adalbert und Otto III. dar.

Die Kirche eignet sich wegen ihrer schönen Inneneinrichtung bestens für Hochzeiten, aber im unteren Bereich wird es gruselig. Die Krypta der Bruderschaft der Sacconi Rossi wartet mit einer kompletten Ausstellung aus menschlichen Knochen auf, denn in fernen Zeiten hatten die Geistlichen die Aufgabe, das Skelett der unbekannten Toten, die in der Campagna gefunden wurden oder im Tiber ertranken, aufzubewahren. Jeden 2. November findet den Toten zu Ehren eine Prozession auf der Insel statt, wobei die Mönche Blumenkränze ins Wasser werfen. Gewidmet hatte Otto das Gotteshaus seinem Freund, dem Bischof Adalbert von Prag, den er im Kloster St. Bonifatius und Alexius auf dem Aventin kennenlernte und verehrte.

San Bartolomeo all'isola Tiberina © il Deutsch-Italia

San Bartolomeo all’isola Tiberina © il Deutsch-Italia

Otto muss seinen dauerhaften Regierungssitz in Rom einrichten, wenn er sich als Kaiser in Rom behaupten will. Bezieht er auf dem Palatin Quartier, wo früher die römischen Kaiser herrschten? Schließlich führte sein Vater seit 982 den Titel eines Romanorum Imperator. Oder aber auf dem Aventin gleich neben der Klosterkirche San Bonifacio e Alessio, deren gelehrte und mehr-sprachige Mönche er so schätzt? Wo auch immer, Otto III. erbaut seine Lieblingspfalz in Rom auf einem Pulverfass. Der Hass der Römer gegen die kaiserliche Herrschaft nimmt immer mehr zu, und im Jahr 1001 blockieren die Einwohner Tivolis, die schon unter dem Goten Totila zu leiden hatten, voller Wut die Tore und umlagern den kaiserlichen Palast. Otto ist dort eingesperrt und schafft es nicht, sich zu seinen Truppen durchzuschlagen. Drei Tage später geht er auf den Turm und spricht voller Enttäuschung und Schmerz zu ihnen:

 »Seid ihr es, die ich meine Römer nannte, um derentwillen ich mein Vaterland und meine Verwandten verließ? Aus Liebe zu euch habe ich meine Sachsen und alle Deutschen, ja mein eigen Blut dahingeworfen; euch habe ich in die fernsten Gegenden unseres Reichs geführt, wo nicht einmal eure Väter, als sie die Welt beherrschten, je ihren Fuß hingesetzt hatten.«

Isola Tiberina © il Deutsch-Italia

Isola Tiberina © il Deutsch-Italia

Otto gelingt es, die Wütenden zu beruhigen, aber er sieht ein, dass er nicht länger in Rom bleiben kann. Der unglückliche Imperator flüchtet nach Ravenna. 1002 stirbt er einsam in der Burg Paterno bei Viterbo. Bis auf den Erzbischof Heribert von Köln haben ihn alle deutschen Fürsten im Stich gelassen. Er stirbt unverheiratet und ohne männliche Nachkommen; sein Nachfolger wird der bayerische Herzog Heinrich, mit dem die Dynastie der Ottonen endet.

Im März 2020 erschien Deutsche in Rom – oder, sind wir nicht alle Römer?

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Die Dozentin und Autorin Martina Kliem hat vor 10 Jahren die Vereinigung Deutsche in Rom gegründet. Seit 23 Jahren lebt sie in Rom und schreibt Artikel und Bücher ”ihrer” Stadt: 2016 erschien Rom für Fortgeschrittene – oder solche, die es einmal werden wollen, 2020 Deutsche in Rom – oder sind wir nicht alle Römer? Webseite https://www.deutsche-in-rom.com/rom-buumlcher.html

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