Anleitung, die Deutschen zu lieben

Martin Luther und Karl Marx, nicht zu vergessen die Mark

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Karl Marx © il Deutsch-Italia
Karl Marx © il Deutsch-Italia

Sie mußte anrufen, und ich war nicht beleidigt. Wir hatten unser Problem ja »auf Ehrenwort« gelöst. Ich weiß, daß das in Italien jetzt auch möglich ist, aber nur theoretisch. In Deutschland ist es nur deshalb nicht übliche Praxis, weil man nicht bei jeder Gelegenheit beweisen muß, daß man am Leben ist und der menschlichen Rasse angehört.
Die Deutschen fühlen sich von ihrer Bürokratie gegängelt, und wahrscheinlich haben sie Recht. Vielleicht erinnern sie sich an früher, als es besser war, aber ich versichere ihnen, daß sie im Gegensatz zu uns in einem Paradies leben. Der Vergleich tröstet sie vermutlich nicht.
Einer der Hauptgründe, warum ich gern im Ausland lebe, ist die Flucht vor dem Papierkram, der in Italien tagtäglich ansteht, unverständliche Angelegenheiten, die auf der Stelle zu erledigen sind, sonst drohen hohe Geldstrafen und Gefängnis. Ich habe ausgerechnet, daß ich jeden Tag mindestens eine Lebensstunde spare, weil ich in Deutschland wohne. Das finde ich tröstlich. Meine »Flucht« ist aber offenbar nicht vollkommen. Von Zeit zu Zeit erwischt mich ein scheußlicher Fangarm der Bürokratie meines Vaterlandes auch in Berlin, Hamburg oder Bonn.
Das hat katastrophale Folgen, denn es werden Dokumente von mir verlangt, die nicht zu bekommen sind, einfach weil es sie in Deutschland gar nicht gibt. Um Lebensnachweise und ähnliches kümmern sich normalerweise geduldige Konsulatsangestellte. Aber nicht immer. Die deutschen Angestellten haben mir immer Verständnis entgegengebracht und mich wie einen Flüchtling angehört, der nicht um politisches, sondern um bürokratisches Asyl bittet.
Wie damals, als ich für das italienischen Fernsehen arbeitete und eine Bescheinigung vom deutschen Finanzamt brauchte, daß ich in Deutschland Steuern zahle; eine Steuervorauszahlung in Italien auf der Grundlage des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen unseren Ländern sollte vermieden werden. Der Steuerbeamte unterschrieb das aus Rom geschickte Formular.
»Das ist falsch«, hieß es aus Italien, »unser Formular ist unterschrieben worden.«
»Na und?«
»Es war ein Muster. Der deutsche Beamte muß unser Formular kopieren und dann unterschreiben.« Es war unglaublich, aber ich tat, wie mir geheißen. Ehrlich gesagt, ich habe ihn bestochen, und er hat es gar nicht gemerkt. Feierlich behauptete ich, Deutschland würde die Fußballweltmeisterschaft in Italien gewinnen, obwohl ich es nicht glaubte. Aber wir Italiener sind ja skrupellos, wie man weiß. Schon wieder falsch. Der Beamte sollte das Formular auf sein Papier kopieren, auf das ich dann schreiben sollte, daß ich in Italien keine Einkünfte habe, und dann sollte der Deutsche noch mal bestätigen, daß ich, »soweit ihm bekannt«, die Wahrheit sagte.
»Auf unser Papier können Sie nichts schreiben«, sagte er zu Recht, aber er war mir wohlgesonnen: Deutschland hatte den Titel gewonnen, und wir waren uns auf dem Platz gar nicht begegnet.

»Ich geb’s auf«, sagte ich

»Nein, ich weiß was, Sie schreiben auf irgendein Papier, was Sie wollen. Ich beglaubige es mit unserem Stempel und bestätige, daß Sie, soweit mir bekannt, in Italien keine Mark verdienen. Außerdem ist es uns ganz egal, was Sie in Italien machen.« So geschah es.
Beckenbauers Deutschland hatte den Weltmeistertitel verdient, fand ich. Ich schickte das x-te Papier nach Italien und hörte nichts mehr. Nach sechs Monaten bekam ich mein Gehalt. Abzüglich der Steuervorauszahlung, auch auf die Spesen.

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