Anleitung, die Deutschen zu lieben

Martin Luther und Karl Marx, nicht zu vergessen die Mark

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Karl Marx © il Deutsch-Italia
Karl Marx © il Deutsch-Italia

Beamtengehälter gehen von mindestens 3000 DM brutto bis zu 12 000 DM für einen Ministerialdirektor. Man rechnet, daß die Hälfte der Steuern für Personalkosten dahingeht, und die Löhne werden durch mittelalterlich anmutende »Positionen« aufgestockt: Der Kontrolleur, der einen Schwarzfahrer im Bus erwischt, erhält ein »Kopfgeld« von fünf Pfennig plus zwei Prozent der eventuell verhängten Strafe. Es gibt sogar einen Zuschlag, wenn Nebel über dem Hafen liegt. Mit Versicherungsrabatten und Zulage für Verheiratete gibt es über 400 gesetzlich zugesicherte Extras.
Professor Jürgen Weber aus Koblenz ist den Beamten ein Dorn im Auge: Er hat ein Zehnpunkteprogramm ausgearbeitet, um ihre Kosten und Privilegien zu reduzieren und die Produktivität zu erhöhen, die mit oder ohne Uniform halb so hoch ist wie im privaten Sektor. Offenbach, nicht weit von Frankfurt und berühmt wegen seiner Lederwarenmesse und weil dort 1969 die erste Erotikmesse stattfand, hat einen »privaten Profi« zur Lösung des Beamtenproblems hinzugezogen. Die Stadt hat den Unternehmensberater Gerhard Grandke, 39, eingestellt, um den Schuldenberg von 700 Millionen Mark (bei 110.000 Einwohnern) abzutragen, und der Experte kürzte die Zahl der Angestellten von 2540 auf 1450, am Ende sollen es 1200 und der Ausgleich geschafft sein. Wird man das »Modell Offenbach« in ganz Deutschland anwenden?
Die Gemeinden laufen Gefahr, Bankrott zu gehen. Alle zusammen sind mit 150 Milliarden DM verschuldet. Eine Ausnahme gibt es: In Raesfeld, einem Ort von 10 000 Einwohnern westlich von Münster in Nordrhein-Westfalen, ist die Bilanz, wenn auch nur leicht, im Plus. »Dabei verzichten wir auf nichts«, versichert Bürgermeisterin Maria Honvehlmann, 41. »Auf nichts, was wirklich wichtig ist«, meint sie einschränkend. Anstatt sich ein neues blaues Auto zu kaufen, fährt sie mit ihrer Vespa ins Rathaus.
Raesfeld hat sechs Kindergärten eröffnet, ein Sportzentrum gebaut, die Kanalisation erneuert, ein nagelneues Feuerwehrauto gekauft, aber dabei wird jeder Pfennig umgedreht. Anstatt ein Darlehen für den Bau eines Schwimmbads aufzunehmen, das mindestens eine Million Mark kosten würde, kann man zweimal wöchentlich gratis mit dem Bus zum Schwimmbad in das zehn Kilometer entfernte Borken fahren. Kosten pro Jahr: 13.000 DM. Man versucht, möglichst viele Dienstleistungen Privatunternehmen zu übergeben, angefangen bei der Müllabfuhr bis hin zur Schulaufsicht. Das Personal im Rathaus ist auf ein Minimum gekürzt. Frau Honvehlmanns Sekretärin tippt auch Briefe für die anderen Büros und ist sich nicht zu schade, Telefondienst zu machen.
Mir als Italiener kommen diese Beamten mit den vielen Fehlern verglichen mit unseren Staatsbediensteten vor wie Gestalten einer utopischen Bürokratie. Die Deutschen scheren sich nicht um diesen Vergleich. Als mein Sohn in Hamburg geboren wurde, ging ich, wie das so ist, am letzten Tag zum Standesamt, um ihn anzumelden. Die Beamtin verlangte meine Heiratsurkunde.
»Ich hatte nie eine, und wenn, dann habe ich sie verloren.«
»Lassen Sie sich eine Zweitschrift geben und kommen Sie in einer Woche wieder«, sagte sie beharrlich.
»Wenn überhaupt, dann komme ich in sieben Jahren wieder.« Sie lächelte beruhigend, denn sie kannte die bürokratischen Hürden für mich und meine Landsleute, und schlug vor: »Erklären Sie, was Sie wollen, auf Ihr Ehrenwort.« Das tat ich. »Aber beantragen Sie die Urkunde und bringen Sie sie mir irgendwann, und seien Sie nicht beleidigt, wenn ich Sie anrufe, um Sie zu mahnen …«

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