Anleitung, die Deutschen zu lieben

Die multinationale Gesellschaft

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© il Deutsch-Italia
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Kurz vor der Landung in Frankfurt ermahnt mich die Stewardeß der Lufthansa, mich anzuschnallen. Sie ist Italienerin. Ebenfalls einen italienischen Namen trägt das beste Restaurant im größten deutschen Flughafen. Der Taxifahrer, der mich in die Stadt bringt, kam vor zehn Jahren aus Pakistan. Der Hotelportier ist Grieche, und an der Rezeption empfängt mich wieder ein Italiener. Der Liftboy sieht orientalisch aus, das Zimmermädchen kommt aus Afrika, aber woher genau, habe ich nicht verstanden. Sie spricht kein Wort Deutsch und tut so, als könne sie Englisch. Am nächsten Morgen wird der junge Kellner beim Frühstück besonders freundlich sein. Er arbeitet zwei Schichten hintereinander und spart, weil er so bald wie möglich eine Pizzeria »in seinem Rumänien« eröffnen will. Er sei nicht der erste, erklärt er mir, aber er will der Beste sein. Ob ich vielleicht ein paar Tipps für eine besonders gute Margherita hatte?

25 Prozent der Einwohner Frankfurts, der deutschen Finanzhauptstadt, sind Ausländer. Ohne sie würde sich die Stadt in einen Saustall verwandeln, die Wolkenkratzer der Banken wären unbetretbar, und kein Mensch würde hinkommen, weil die öffentlichen Verkehrsmittel lahmgelegt wären. » 13 Prozent der Hauptschüler bei uns in Stuttgart sind Ausländer, Türken, Spanier oder Kroaten, aber sie sprechen besser Schwäbisch als ich«, erzählt mir Bürgermeister Manfred Rommel, der Sohn des »Wüstenfuchses«. Er hat als erster das Wahlrecht für Ausländer bei Kommunalwahlen gefordert.

Am Wochenende treffen sich auf der Wiese vor dem Reichstag die türkischen Familien zum Grillen. Ein Hauch von Exotik im Herzen Preußens. In Lübeck, der Stadt der Buddenbrooks, lernen die Damen abends Bauchtanz. Ob Frau Konsul auch hingehen würde? Der schickste Platz, um in Berlin zu essen und gesehen zu werden, ist ein französisches Restaurant, in Bonn treffen sich die Politiker der alten Schule in der Cäcilienhöhe, das zwar nicht so aussieht, aber ein ganz und gar italienisches Restaurant auf dem Hügel über Bad Godesberg ist. Die Jüngeren gehen lieber ins Al Gabbiano, das vom Bundestag aus zu Fuß zu erreichen ist.

Die Deutschen kleiden sich italienisch oder französisch, trinken Brunello, wenn sie Rotwein mögen, und Sancerre zu Fisch, und dick werden sie mit Tiramisu.

Eine türkische Mannschaft, deren Namen in etwa »Türkei, meine Heimat« bedeutet, hat den Berlin­-Cup gewonnen. Ein schönes Schlamassel für den Fußballbund, denn laut Gesetz dürfen in einer Mannschaft höchstens drei Ausländer sein, aber es sind zehn Einwanderer und ein blonder Mittelstürmer. Sieger im siebenten Himmel. »Sie behandeln mich, als wäre ich Maradona«, gesteht er. Die Türken lösten das Problem auf diplomatische Weise, indem sie in der ersten Runde des Deutschland-­Cups ausschieden. Aber bei einer Begegnung im UEFA­-Cup spielte Eintracht Frankfurt auswärts gegen Galatasaray (die die Runde für sich entschieden) in deren Stadion, das in ein einziges rotes türkisches Fahnenmeer verwandelt war. Und in Hamburg wurde aus einem Schwimmbad ein tibetischer Tempel. Die Deutschen diskutieren darüber, ob Deutschland ein Einwanderungsland ist wie die Vereinigten Staaten und Australien oder nicht. Und in Anbetracht der Tatsache, daß, während noch debattiert wird, weiterhin Ausländer mehr oder weniger legal zuwandern, denkt man auch darüber nach, ob die Entstehung einer multikulturellen Gesellschaft gefordert werden soll und welche Vor- und Nachteile möglicherweise daraus erwachsen konnten. Ich vermute, die Menschen hier stellen sich, konkret wie sie sind, die Entstehung eines Hybriden vor, gründlich wie die Deutschen, phantasievoll wie die Neapolitaner und von mitteleuropäischern Esprit, also eine Art EU-­Frankenstein mit einem Schuß Orient.

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