Die Deutschlandfahne
Im italienischen Fernsehen flattert nach Programmende die Trikolore über den Bildschirm, vom Computer ausgewrungen, durchgeschüttelt und gekippt, und endet schließlich, zu waagrechten Streifen stilisiert, umgemodelt, wenn ich mich nicht irre, in der Flagge des Libanon (bedeutet ein elektronischer Lapsus etwa auch etwas?). Anscheinend kann man nur mittels graphischen Schwulsts die Verlegenheit überwinden, unsere Fahne flattern zu lassen.
Das Schwarz-Rot-Gold Deutschlands jedoch knattert nach den letzten Nachrichten vornehm über historischen Stätten. Über der Wartburg, dem Felsen Luthers, oder über den rötlichen Klippen Helgolands, dem letzten heimatlichen Bruchstück in der Nordsee, das Richtung Großbritannien schaut (tatsächlich wollten die Engländer nach dem Krieg die Insel in die Luft sprengen und auf diese Weise von der Landkarte streichen). Oder über dem Hambacher Schloß, wo sie bei den Unruhen von 1832 wehte, nicht weit von der Gegend, aus der Helmut Kohl stammt.
Ein Italiener, der beim Anblick der Fahne aufspringt, läuft (oder lief?) Gefahr, als Faschist bezeichnet zu werden. Diesem Problem stellen sich Franzosen oder Engländer gar nicht, ganz zu schweigen von den Amerikanern. Meine Kindheit im Kino war begleitet von frenetischem Stars-and-Stripes-Geflatter auf Flugzeugträgern, die im Pazifik unterwegs waren; in Vorposten, die von Indianern belagert waren; in Alamo, das von schrecklich bösen Mexikanern überschwemmt war. Daß die Sioux und die Mexikaner recht hatten, stellte ich fest, als ich groß war, und zwar schon bevor in den 60er Jahren die amerikanische Flagge zusammen mit den Büstenhaltern in Flammen aufging.
Und die Deutschen? 67 Prozent sind beim Anblick der Nationalflagge bewegt, die nach dem Zweiten und dem Dritten Reich zu ihren Ursprüngen zurückgekehrt war. Ein Blick noch weiter zurück zeigt dem, der sich an historischen Koinzidenzen freut, daß die Grundfarben sogar die des Heiligen Römischen Reiches sind, das Gelb und das Rot von Hässlers und Völlers Roma. Das alte Banner war gelb oder vielmehr gold mit dem schwarzen Reichsadler, der seinen Schnabel in Richtung Fahnenstange wendet und später rot gemalt war. Schwarz und Rot waren auch die Farben der studentischen Verbindung, die bei den Unruhen von Jena die Hauptrolle spielte, und wurden in die Flagge, das Symbol für Demokratie, Freiheit und Einheit, aufgenommen.
Schwarz ist natürlich die Farbe der Nacht und Rot das blutende Herz der Morgenröte, die die neue Ära ankündigt und so glühend ist, daß sie das Gold der Kaiserkronen zum Schmelzen bringt. Der alte Spielverderber Heinrich Heine hat eine andere Erklärung parat: ein großes Federbett mit Vorhängen aus rotem Damast, einem goldenen Himmel mit einem schmutzigen Tischtuch.
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