Anleitung, die Deutschen zu lieben

Die Abgeordneten sind nicht bestechlich

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Im Frühling 1972 verlor Rainer Barzel gegen Brandt, weil ein Abgeordneter aus den eigenen Reihen für den Gegner stimmte. Der ost-deutsche Geheimdienst, der um die Fortsetzung der Ostpolitik des sozialdemokratischen Kanzlers besorgt war, hatte ihn mit 50000 DM gekauft, wie Jahrzehnte später festgestellt wurde, als nach dem Fall der Mauer die Archive geöffnet wurden.

Zum Preis eines Mercedes änderte sich die europäische Geschichte, aber derjenige, der dafür verantwortlich war (er ist inzwischen verschwunden), hätte sowieso nicht bestraft werden können. Die deutsehen Abgeordneten sind nicht bestechlich. Denn wer sie kauft, begeht keine strafbare Handlung, zumindest nicht bis zum Herbst 1993. Die Schmiergeldzahler all’italiana mögen sich jedoch in acht nehmen: Die Abgeordneten konnten Autos und Villen, Aktien und Bargeld annehmen und riskierten dafür nicht einmal eine gelbe Karte. Die Bestrafung wurde den Wählern übertragen, wenn sie schon so dumm waren, sich erwischen zu lassen (ich fürchte, das Ende des Privilegs war dem Echo der Skandale bei uns zu Hause zu verdanken).

Man begeht jedoch eine strafbare Handlung, wenn man einen Beamten, den unantastbaren Funktionär des Staates, besticht, also auch einen Minister, der als erster Staatsbeamter gilt. Einem Beamten können Sie einen Blumenstrauß oder eine Flasche Wein anbieten, solange der Wert nicht ein paar Mark übersteigt. Jenseits davon setzt die Korruption ein. Außer das Geschenk landet beim Staat: das gilt für den Minister auf Auslandsreise ebenso wie für den Beamten hinter dem Schalter.

Am Ende eines Besuches in einem arabischen Emirat kamen die Gastgeber zum Abschied auf die Rollbahn des Flughafens und brachten zahlreiche Päckchen für die Sekretärinnen des Gefolges mit. Sie wickelten goldene Rolex aus, jede im Wert von ein paar tausend Mark. Das Geschenk wurde nicht zurückgegeben, um die Araber nicht zu beleidigen, aber alle wurden aufgefordert, ihre Uhren beim Außenminister abzuliefern, sie konnten ihre Rolex aber auch zu einem »günstigen Preis« zurückkaufen. Nur eine Sekretärin tat es, um ein kleines Andenken zu behalten.

Die Geschichte wurde mir im Bundespresseamt erzählt, aber es schwang die Erinnerung an gute und für immer verlorene Zeiten mit. Auch in Deutschland drückt man ein Auge (oder zwei?) zu, und das immer häufiger. Vielleicht will man mich auch mitten in unserer Schmiergeldaffäre trösten. Kann schon sein, antworte ich, aber ihr Deutschen seid im Vergleich zu uns Amateure, Dilettanten. In Italien zahlt man Schmiergeld, in Deutschland Trinkgeld.

Der aufstrebende Wirtschaftsminister, der Liberale Möllemann, der eine große Zukunft vor sich hatte, ist über einen Plastikjeton gestolpert, ohne daß er auch nur einen Pfennig abgezweigt hätte.

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