An diesen im Freien aufgestellten antiken Figuren brachte das Volk nachts Zettel mit Versen an, um seine Unzufriedenheit auszudrücken oder sich über berühmte Personen lustig zu machen. Zielgruppe waren die Mächtigen vom 16. bis zum frühen 19. Jahrhundert. Päpste eingeschlossen. Oft waren es Künstler oder Aktivisten, die heute wohl eher auf die Straße gehen würden. Doch wurden sie damals dabei erwischt, schnitt man ihnen die Zunge heraus, hackte ihnen die Hand ab oder erhängte sie!
Zu den Statuen zählen Madama Lucrezia an der Piazza San Marco, »Il facchino«, Via Lata, Abate Luigi, Piazza Vidoni an der seitlichen Mauer der Basilica di Sant‘Andrea della Valle, Marforio auf dem Kapitolshügel und Babuino in der Via del Babuino. Das römische Volk gab ihm seinen Namen aufgrund seines hässlichen Aussehens, das man mit einer Affenart (römisch: babbuino) verglich.
Bekannteste und momentan einzige genutzte Figur ist der Pasquino. Sie wurde 1501 auf der Piazza Pasquino hinter der Piazza Navona aufgestellt. Wen sie genau darstellt, ist unsicher. Es soll ein Schneider namens Pasquino in der Gegend gelebt haben. Allerdings ist der Erhaltungszustand so schlecht, dass man es nicht mit Sicherheit feststellen kann. Dem antiken Torso fehlen schon die Arme, und sein Gesicht hat auch kkschon bessere Zeiten gesehen.
Als die o.g. Statue Marforio noch genutzt wurde, brachte man auf ihr häufig Antworten auf die am Pasquino angehefteten Schmähschriften an. Auf diese Weise führten die beiden Statuen regelrecht Dialoge miteinander. Einer der Spottverse richtete sich gegen Papst Hadrian VI., den „deutschen“ Papst aus dem Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation:
«O del sangue di christo traditore
ladro collegio chel bel vaticano
alla tedescha rabbia hai posto in mano
Come per doglia non ti scoppia el cuore»
»Oh du Verräter des Blutes Christi,
Räuberisches Kollegium, das du den schönen Vatikan
der deutschen Wut ausgeliefert hast:
Wieso bricht dir nicht vor Schmerz das Herz?«
Der empörte Papst Hadrian VI. ließ daraufhin anordnen, Pasquino in den Tiber zu werfen. Jedoch kam dem Kirchenhaupt der Tod in seiner kurzen Amtszeit zuvor. Nun liegt er begraben in der Deutschen Kirche Santa Maria dell’Anima – nur 200 Meter von Pasquino entfernt!
Am 25. April 1508 gründeten Studenten und Professoren direkt vor unserem Pasquino die pasquinata, ein burschenherrschaftliches Fest, worauf nicht zuletzt der Name der Skulptur zurückzuführen sein mag. Denn pasquill (ital. pasquinate) bedeutet nichts weiter als „satirisches Gedicht“. Tief in der Nacht zelebrierten sie eine feierliche Prozession und zitierten direkt vor der Statue Inschriften von Gräbern und Kunstwerken. All diese Heimlichkeiten wurden jedoch in den Jahren zu riskant – bedenke man die Konsequenzen – und irgendwann hörte man auf, die Statue mit Parolen und Versen zu versehen.. Erst 1938 hefteten die Römer wieder Zettel an den Sockel von Pasquino. Diesmal war der Besuch Hitlers in Rom der Grund. Seither ist die Figur wieder Anlaufstelle des heutigen Spottes geblieben. Beliebtes Objekt ist Silvio Berlusconi.
Wie der Zufall es will, ist der 25. April (1945) auch Nationalfeiertag: Gedenktag der Befreiung Italiens vom Faschismus und der Besetzung Italiens durch die Nationalsozialisten.
Liebe Martina,
über das Thema “Pasquino Marforio” und die Zetteln zwischen die zwei empfehle ich diesen Worten:
“O del sangue di Cristo traditore
ladro Collegio che bel Vaticano
alla tedesca rabbia hai posto in mano:
come per doglia, non ti scoppia il core?”
Hier gibt es mehrere Infos:
http://www.borgato.be/MISCELLANEA/ROMA_PARIONE-S-T/html/smariadellanima.html
Ich Gratuliere mich für deine Liebe für unsere Stadt, für unseren Geschichte und Traditionen.
LG
Fabrizio