Gesundheit

Burnout, ein verstecktes soziales Übel

0
Das Burnout-Syndrom in einem Vergleich zwischen Italien und Deutschland

Jeder kennt den Zusammenhang zwischen Stress (oder Distress) und körperlichen und geistigen Störungen. Burnout ist eine der Formen von arbeitsbedingtem Stress. Alle Definitionen dieses Begriffs passen zusammen, indem sie eine fortschreitende Erschöpfung der Ressourcen des Arbeitenden hervorheben, die sich langsam abnutzt und vermindert im Versuch, sich an die durch diejeweilige Arbeit verursachten Schwierigkeiten anzupassen. Die WHO klassifiziert dieses Syndrom als eine Form der Erschöpfung auf emotionaler, physischer und mentaler Ebene. In Deutschland wird der Ausdruck „ausgebrannt sein“ verwendet, um den Zustand des Arbeitenden zu bezeichnen, der „verbrannt“ ist, weil er das Gefühl hat, seinen Kunden oder seinen Patienten nichts geben zu können. Burnout ist daher das Endergebnis eines schrittweisen Prozesses. Zunächst besteht ein Ungleichgewicht zwischen Arbeitsanfragen und persönlichen Möglichkeiten, anschließend zeigt die Person Reizbarkeit, Erschöpfung, Angst und allgemeine Erschöpfung und am Ende entstehen Arbeitsverhältnisse, die durch eine defensive Haltung durch emotionale Distanzierung, Starrheit, Zynismus ein Sich-Sperren geprägt sind.

Was sind die Auslöser?

Burnout entwickelt sich in den meisten Fällen in Situationen, in denen der Unterschied zwischen den persönlichen Eigenschaften des Arbeitnehmers und denen des Arbeitsumfelds, in der die Leistungen erbracht werden, deutlich wird. Die Entstehung des Problems wird häufig auf eine individuelle Schwäche zurückgeführt, deren Ursache die unterschiedlichen Aspekte des Charakters, des Verhaltens und der persönlichen Fähigkeiten sind, die mit dem Arbeitskontext in Widerspruch stehen. Viele Studien haben jedoch die Hypothese gestützt, dass dieses Syndrom nicht nur ein individuelles, sondern auch ein soziales Problem ist (zum Beispiel Maslach, C. & Leiter, 1999). Dies hängt vom Arbeitskontext ab, von der Art und Weise, wie Menschen mit diesem System interagieren, und davon, wie sie ihre Arbeit ausführen. Aus diesem Grund kann sich dieses Phänomen als „ansteckend“ erweisen bis hinein in die gesamte Organisationsstruktur.

Burnout am Arbeitsplatz in Italien

Im Belpaese haben sich Studien der einzelner Berufsgruppen vor allem auf den Gesundheitsbereich konzentriert. Die höchste Anzahl „ausgebrannter“ Arbeitnehmer steht aufgrund des direkten und längeren Kontakts mit Patienten mit starker emotionaler Beteiligung im Gegensatz zu einer geringen Zufriedenheit mit der Arbeit des Krankenhauspersonals. Nicht nur Krankenschwestern, vor allem diejenigen, die auf den Stationen schwerkranker Patienten arbeiten, sind von Burnout bedroht, sondern auch Ärzte. Laut einer Umfrage des „European General Practice Research Network“, durchgeführt in 12 Ländern, hätten italienische „Weiße Kittel“ sogar einen fast doppelt so hohen Stress (43 Prozent) wie der Durchschnitt europäischer Ärzte (22 Prozent). Dass es damit zu tun hat, dass sie allein Nachtwachen mit den Patienten verbringen, ein anstrengendes Arbeitstempo haben oder dass die Vergütung nicht ihrer Leistungen entspricht, ist eine Tatsache, dass 9 von 10 italienischen Ärzten neben der tiefen Unzufriedenheit für die eigene Arbeit an Erschöpfungssymptomen leiden. „Italienische Ärzte erleben eine Situation, die nicht nur ihre Gesundheit, sondern auch die ihrer Patienten gefährdet.“ Dies bekräftigt Alessandro Garau, der nationale Sekretär der Gewerkschaft CoaAS Medical Executives. Wenn das Phänomen schon in nicht normalen Zeiten im Bereich der medizinischen Gesundheit stetig zunahm, hat der Ausbruch der COVID 19-Pandemie dazu geführt, dass

Alessandro Garau © Linkedin

Alessandro Garau © Linkedin

das Burnout enorme Ausmaße angenommen hat. Das Krankenhauspersonal steht noch viel mehr unter Druck. Das medizinische Personal, das freiwillig im Krankendienst arbeitet, in Notaufnahmen, unterschätzt seinen Gesundheitszustand, vergisst Ruhezeiten und leidet unter chronischer Müdigkeit. Darüber hinaus „denken wir an die Mitarbeiter des Gesundheitssystems, die freiwillig von zu Hause weggezogen sind, um die Ansteckungsgefahr der Familienmitglieder zu vermeiden, und wir denken auch die Wiederaufnahme der Arbeit von Ärzten im Ruhestand. All dieses fügt sich zusammen zu chronischen Mängeln der Berufsgattung, wie z.B. zermürbenden Schichten, Mangel an Geräten und Personal Diese Situation kann auslösen, zu einer Zeitbombe zu führen“, berichtet der Psychotherapeut Giorgio Nardone. Und er fügt hinzu: „Es ist notwendig, die Warnzeichen zu erkennen und rechtzeitig einzugreifen, um zu verhindern, dass das Phänomen explodiert“.

Aber wie kann man die Burnout-Explosion von Gesundheitspersonal vermeiden?
Uno studio medico tedesco © il Deutsch-Italia

Uno studio medico tedesco © il Deutsch-Italia

Der wichtigste Weg führt über die Sozialisierung der Erfahrung, wie der Psychologe aus Arezzo feststellt. Es ist notwendig, Diskussionsgruppen zu erstellen, die von einem Experten geführt werden oder vielmehr einen „Raum“ zu schaffen, um Ängste und Befürchtungen ans Tageslicht zu bringen, die sonst in den Köpfen der Arbeitender lauern und Verwirrung stiften. Nardone beschäftigt sich derzeit mit der Durchführung von kostenlosen medizinischen Weiterbildungskursen, die sich an Ärzte und Angehörige der Gesundheitsberufe richten und die auf der virtuellen Plattform des Consulcesi-Clubs durchgeführt werden. Das Consulcesi ist ein Referenzpunkt für über 100.000 italienische Ärzte. Mittels der Verbreitung von Zeugenberichten und der Meinungen von Experten der Gesundheitsberufe konzentriert sich der Club auf arbeitsbedingten Stress, und sieht ihn als Risikosituation nicht für Ärzte sondern auch für Patienten wegen der möglichen Auswirkungen des psychischen Zusammenbruchs.

Burnout am Arbeitsplatz in Deutschland

Die Hälfte der deutschen Arbeitnehmer gibt an, bereits einmal an Burnout gelitten zu haben oder gibtan, sich in einer Phase nachlassendes Kräfte zu befinden oder von Burnout gefährdet zu sein. Dies hebt der STADA 2019-Gesundheitsbericht hervor, der 15.000 Arbeitnehmer aus 9 europäischen Ländern untersuchte. Deutschland und Italien haben eine ähnliche Quote von Arbeitern mit Burnout. Während jeder fünfte Deutsche sich bereits in psychiatrischer oder eine psychologischer Untersuchung zur Lösung seiner Probleme befindet, zeigten sich die italienischen Bürger weniger offen für Beratungen von Spezialisten. Nur einer von hundert italienischen Bürgern nutzt eine fachliche Hilfe und Beratung. In dieser Hinsicht liegt Deutschland in Europa an erster Stelle.

In Deutschland ist die am stärksten vom berufsbedingten Burnout betroffene Altersgruppe die zwischen 35 und 49 Jahren. Besonders Frauen sind anfälliger für Erschöpfung bei der Arbeit, weil sie Kinder und Arbeit unter einen Hut bringen müssen. Laut dem STADA-Bericht sind deutsche Frauen jedoch am offensten dafür, ihre Probleme unverzüglich zu lösen. Darüber hinaus zeigt die europäische Forschung ein weiteres interessantes Ergebnis. Insbesondere Niedriglohnarbeiter (Nettoeinkommen unter 1.500 EUR) neigen aufgrund ihres Versagens am häufigsten dazu, eine fachliche Beratung zu beanspruchen. Vielen Deutschen fällt es leicht, sich mit dem Begriff Burnout an den Spezialisten zu wenden, da dieses Etikett keine negative Bewertung beinhaltet. Tatsächlich bedeutet Burnout in der Gesellschaft keine Stigmatisierung. Wenn über Angst oder Depression gesprochen würde es eher auf positive Arbeitskonzepte, wie beispielsweise die Arbeitsleistungen und die individuellen Stärken, hinweisen. Außerdem wird Burnout nicht durch klare diagnostische Kriterien definiert und das begünstigt, dass das Problem leichter beim Arzt angesprochen wird als andere sensible Probleme (z. B. Stimmungsprobleme).

Das Burnout-Syndrom wurde offiziell in die Liste der „Internationalen Klassifikation von Krankheiten“ (ICD) aufgenommen, ein internationales Klassifikationssystem für Krankheiten und die damit verbundenen Probleme, erstellt von der WHO. Es ist Teil der Faktoren, die den Gesundheitszustand beeinflussen, und bezieht sich ausschließlich auf die Arbeit. Der „Fehlzeiten-Bericht 2020 des Wissenschaftlichen Instituts der Deutschen Krankenkasse „AOK“ bietet interessante Daten zu den am stärksten von Burnout bedrohten deutschen Berufen. Diejenigen die sich beruflich mit Kunden (Aussicht- / Führungskräfte – Verkauf) beschäftigen haben die höchste Anzahl von Krankschreibungen (308 Krankheitstage pro 1.000 AOK-Versicherte), die mit Burnoutkrankheitssymptomen verbunden sind. Im Gegensatz zu Italien stehen die help profession daher in Deutschland nicht an oberster Stelle der von Burnout betroffenen Arbeitnehmern. Selbst der Bildungsabschluss spielt keine relevante Rolle für die Statistik der Häufigkeit der Krankschreibungen, die den ICD-Code beinhalten, der dem beruflichen Burnout-Syndrom (Z73) entspricht.

Burnout im restlichen Europa

Von Burnout betroffene Arbeitnehmer finden sich hauptsächlich im Osten des alten Kontinents (72 Prozent der Russen, 66 Prozent der Serben und 62 Prozent der Polen), während französische Arbeiter am seltensten an dem Syndrom leiden, laut dem Gesundheit Report STADA. Die Italiener, Briten, Spanier und Belgier sind in gleicher Weise betroffen (rund 50 Prozent) wie die Deutschen. Die Forschung bietet auch einen allgemeinen Überblick über die Meinungen, die Menschen über das hohe Auftreten von Burnout in Europa haben. 41 Prozent der Befragten nennen das Arbeitsumfeld als Auslöser. Darüber hinaus schätzen 27 Prozent, dass die Verschlechterung der gesundheitsheiftlichen Situation der europäischen Arbeitnehmer durch schlechte Ausbildung und fehlende vorbeugende Vorsorge seitens des Arbeitgebers verursacht wird. Als Abhilfe gegen eine Überbelastung während der Arbeit würden sich die Befragten ergonomische Stühle im Büro und eine angemessene Bezahlung für Überstunden wünschen.

Warum ist es wichtig, an der Prävention
zu arbeiten?

Der Zustand des „erschöpften“ Arbeiters wirkt sich daher auf das gesamte System aus, und es ist das System, das funktionieren muss, um Abhilfe zu schaffen und vorzugsweise Präventionsstrategien umzusetzen. Neben der Berücksichtigung der psychosozialen Faktoren, die arbeitsbedingte Krankheiten fördern können, sind Arbeitgeber gesetzlich verpflichtet, Stress zu berücksichtigen. Es ist notwendig, nicht nur über die Organisation nachzudenken, sondern eine Arbeitskultur anzustreben, die eine Reihe von vorbeugenden Maßnahmen berücksichtigt, die darauf abzielen, Kurse und berufliche Fortbildungen zu unterstützen, zu fördern, und nicht nur die technischen Fähigkeiten, sondern auch die sozialen Fähigkeiten und die planvolle Kommunikation im Arbeitsbereich zu verbessern. Mehr denn je besteht heute ein dringender Bedarf an Aufmerksamkeit für die psychologischen Bedürfnisse des Arbeitnehmers, die sich nicht nur auf Krisenzeiten und den derzeitigen viralen Notfall beschränken sollte. Das Gesundheitssystem (insbesondere das italienische) sollte über offene psychologische Beratungsstellen für all diejenigen verfügen, die in schwierigen beruflichen und persönlichen Bedingungen leben, und sie ausstatten.  Menschen, die von Burnout bedroht sind, sollten dabei unterstützt werden, Möglichkeiten zu finden, um ihre Widerstandsfähigkeit zu verbessern und schwierige Situationen zu bewältigen. Es ist notwendig, das Wohlergehen als höchstes menschliches Gut (der Menschen) zu schützen und zu fördern, durch Gewährleistung unabdingbarer Voraussetzungen, die den Menschen gewährleisten, sich den Herausforderungen der Umwelt zu stellen  und diese als eine Chance für ihre eigene Entfaltung und der Entwicklung einer lösungsorientierenden Denkweise zu betrachten.

Print Friendly, PDF & Email
jav xxx
tube
mm
Abschluss in dynamischer klinischer Psychologie an der Universität von Padua. Leidenschaft für Reisen und Natur. Sie war mehrmals eine „Jonas-Reisebegleiterin“ bei Reisen zu Fuß oder mit dem Fahrrad Sie arbeitete mit der NRO "Amici dei Popoli" in Projekten für die Sprachförderung für Schulen zusammen. Seit 2014 lebt sie dauerhaft in Deutschland, wo sie als Psychologin im Bereich der Unterstützung benachteiligter Minderjähriger tätig ist. Gleichzeitig veröffentlicht sie psychologische Informationsartikel auf dem Gesundheitsportal „Medicitalia“. https://www.studiovarotto.com

IIC Hamburg: „Andar per castelli“

Vorheriger Artikel

Anpi Deutschland feiert den 25. April

Nächster Artikel

Kommentare

Einen Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert