Anleitung, die Deutschen zu lieben

Mit Marlene im Cabaret

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Ich habe Cabaret in Savarys Inszenierung gesehen. Während des Festes zu Ehren von Christopher Isherwood ließ der französische Regisseur im Hintergrund plötzlich eine riesige Hakenkreuzfahne herunter. Das Kölner Publikum war fassungslos und mit einemmal ganz still. Die Leute um mich herum hielten den Atem an. Die Verlegenheit der Zuschauer war förmlich zu spüren, sollte man nun applaudieren oder nicht? Würde Schweigen als Mißbilligung interpretiert. oder der Applaus als zweideutig oder zuwenig »ernst« vor dem Symbol des Nationalsozialismus gewertet? Vielsagendes Zö­gern.

»Doktor Goebbels hat wirklich recht«, tadelt Elisabeth die Schwester Marlene vor dem Hintergrund eines düsteren Konzentrationslagers. »Du bist dekadent, du liebst die Juden und die Frauen. Du bist keine gute Deutsche, du bist eine Verräterin.« Das ist ein Schlüsselsatz des Musicals über die Dietrich Sag mir, wo die Blumen sind, das im April 1993 im Theater am Kurfürstendamm, ehemals Max Reinhardts Theater, uraufgeführt wurde. Schon das spezielle Publikum der Premiere, die der Presse vorbehalten war, war verstimmt, und der eine oder andere murrte.

Noch weniger gefiel Sag mir, wo die Blumen sind (den Italienern besser bekannt in der süßlichen Version von Joan Baez), wie es die großartige Jutta Habich mitten in einem Lazarett des Zweiten Weltkriegs sang. »Geschmacklos«, stand in einigen Zeitungen.

»Es ist eine Hommage an Marlene«, sagte Friedrich Kurz, der Produzent des Stückes. »Sie ist eine Heldin, eine der wenigen deutschen Persönlichkeiten, die ich schätze. In Deutschland mag man sie nicht besonders. Keiner unserer Politiker fühlte sich verpflichtet, an der Trauerfeier in Paris teilzunehmen.« In Berlin wurde das Grab der Dietrich geschändet, und der Beschluß des Senats, 100000 DM für den Nachlaß der Diva auszugeben und Kleider, Straußenfedern, Schuhe, Drehbücher, Photos zu kaufen, stieß auf Kritik.

Das Stück, das bis zum Jahr 2000 auf dem Programm stehen und Touristen in die neue alte Hauptstadt locken sollte, hat nicht einmal den ersten Sommer überlebt. Es war nicht vollkommen, aber so schlecht fand ich es gar nicht, und ich vermute, daß die Hauptdarstellerin selbst an diesem frühen Ende »schuld« war, jene Marlene, die Deutschland verläßt, um Josef v. Sternberg nach Hollywood zu folgen, Goebbels‘ verlockende Angebote ausschlägt und in der amerikanischen Uniform in ihre Heimat zurückkommt.

Wie Stefan Heym, der unbequeme Schriftsteller, der dem Dritten Reich entflieht, in amerikanischer Uniform zurückkehrt und sich im kommunistischen Deutschland niederläßt, wo er unerwünschte Bücher schreibt, die dort nicht veröffentlicht werden dürfen und im Westen erscheinen. Oder Willy Brandt, der als norwegischer Offizier in »sein« Berlin zurückkehrt, oder Thomas Mann, ebenfalls amerikanischer Staatsbürger, der nach dem Krieg nicht in die Heimat zurückwill, sondern lieber vor der Haustür im Exil lebt, in der behaglichen Zürcher Villa.

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