Anleitung, die Deutschen zu lieben

Deutschland hatte grüne Augen

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La Germania aveva gli occhi verdi

Tschechow und die Sandalen Kohls

Als Anton Tschechow 1904 Berlin besuchte, stellte er einen schrecklichen Mangel an Geschmack fest. Nirgendwo sonst ziehe man sich so geschmacklos an, und er habe keine einzige schöne Frau gesehen, und keine, die sich nicht irgendeinen unsinnigen Streifen aufgenäht hätte … Aber in Berlin lebe man gut, das Essen sei schmackhaft, und nicht alles sei teuer, die Pferde seien satt, die Hunde auch, auf den Straßen herrsche Ordnung und Sauberkeit. Nur garnierten die Damen sich auf schreckliche Art und Weise, und die Männer genauso …

Der Autor der Drei Schwestern ist offensichtlich erstaunt und empört.

Dieses Urteil muß sie frustriert haben, denn heute tun Männer und Frauen, aber mehr die Männer als die Frauen, alles, um es zu widerlegen. Die Italiener kennen sie nur auf Reisen, wenn sie in Shorts und Unterhemd oder mit nacktem Oberkörper unterwegs sind, die Füße in Sandalen, die außer ihnen niemand auf der Welt mehr tragen würde, und die halben Waden von Socken geziert.

Bei sich zu Hause würden sie sich das nie trauen. Nur die Sandalen, die auch der Kanzler mag, tragen sie.

Die Schuhfabrik eines kleinen Dorfes in der Nähe von Köln, die Kohls Schuhwerk beleidigend fand, lud ihn ein, um ihm ein Paar ihrer Kreation zu schenken. Liebenswürdig nahm er an. Ich verstand den Unterschied zwischen beanstandeten Sandalen und geschenkten Sandalen nicht. Aber ich bin kein Experte. Die Deutschen jedenfalls schwärmen für italienische Schuhe, während wir englisches Schuhwerk schätzen. Meine Frau behauptet, die Schuhe, die wir ihnen verkaufen, seien viel teurer als bei uns und würden »extra« hergestellt, mit eingedeutschten Änderungen, die es einer Italienerin unmöglich machen, sie zu kaufen.

Der Verkaufsleiter einer bekannten französischen Pret-ä-porter- Firma hingegen vertraute mir an, die Preise seien annehmbarer als in Paris, weil die Kleidung weniger akkurat verarbeitet und das eine oder andere Material nicht ganz so hochwertig sei: »Das merken die Deutschen sowieso nicht, sie achten nur auf den Preis«, meinte er mit deutlicher Verachtung. Aber ich finde, daß sie seit Tschechows Zeiten Fortschritte gemacht haben. Nur diese Streifen oder Borten lieben die Frauen und Fräuleins immernoch: Ein Stück aus schwarz- weißem Hahnentritt hat immereine schwarze oder rote, wenn nicht gar violette Samtborte. Die Aufschläge eines grünen Jacketts sind gelb oder rot, und sogar Abendkleider sind mit goldenen und/oder silbernen Paillettenstreifen eingefaßt.

Aber auch die phantasievollste Dame wird noch vom provinziellsten Fußballspieler übertrumpft. Es ist eine harte Prüfung, bei einem Spiel zuzuschauen. Die klassischen Streifen sind inzwischen praktisch überall verdrängt, außer von den klassischen Hemden von Milan oder Inter. In Deutschland wurden sie kapriziösen Computern zur Aufbereitung überlassen, die sie zu einer Art vielfarbigem Mixgetränk zerschnipselt haben, in dem das Mannschaftsemblem im Zickzackmuster, mit Flecken und verwischten Farben erscheint. Auch das Trikot der Nationalmannschaft wurde nicht verschont. Was ist aus dem schlichten weißen Hemd mit schwarzer Hose geworden? Es ist von den Landesfarben Schwarz-Rot-Gold überschwemmt, aber diese sind wie ein mexikanischer Poncho oder eine elisabethanische Halskrause herausgeputzt und verwandeln die elf Meister in lauter sportlichen Flamenco tanzende Lola Montez.

Bevor Roman Herzog sich in den Reichstag begab, wo er zum siebenten Bundespräsidenten der deutschen Republik gewählt werden sollte, frühstückte er gemütlich in seinem Zimmer in einem der teuersten Berliner Hotels. Das Frühstück war reichlich, und etwas Honig tropfte auf seine gepunktete Krawatte. Er glaubte, eine andere Krawatte anziehen zu müssen, aber seine Frau beruhigte ihn und meinte, sie versüße ihm doch die Angelegenheit. Herzog gehorchte.

Ein Bundespräsident, der sich nicht um einen Fleck auf der Krawatte kümmert, nicht einmal dann, wenn er ein Rendezvous mit der Geschichte hat, müßte auf die Deutschen eigentlich beruhigend wirken, die immer so ängstlich darauf bedacht sind, daß alles in Ordnung scheint, und wenn es sich nur um Äußerlichkeiten handelt.

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