Nacktheit mögen sie nicht, sie verstehen nicht, was ein hübsches Mädchen mit einem Motor zu tun hat, und vor allem reagieren sie empfindlich auf Wortspiele. Sie fühlen sich auf den Arm genommen. Die in Italien nicht verbotene Reklame für eine Zigarettenmarke, die »Test the West« empfahl, mußte eiligst zurückgezogen werden. Das Werbeplakat zeigte eine Domina im schwarzen Ledermieder, mit Peitsche und Bleistiftabsätzen, die einen zufriedenen masochistischen Konsumenten verführte. Das war nicht nach ihrem Geschmack.
Die fetten Kühe der 80er Jahre haben das Verhalten der Westdeutschen (zum Teil) verändert. Europas Ameisen entdeckten die Laster der italienischen Zikaden, von Hamburg bis München entstanden Luxusboutiquen, ein ähnlicher Boom wie bei den Pornoshops nach der sexuellen Befreiung von 68. Luxus ist wie Sex als Sünde »abgeschafft«. Aber im einen wie im anderen Fall war die Veränderung oberflächlicher, als die Soziologen behaupteten, das Pornovideo führt zu Gewöhnungsimpotenz und durch die Vereinigungskrise war man gezwungen, den Gürtel (aus Krokodilleder) enger zu schnallen.
Man kehrte zu dem gesunden, sparsamen Konsumverhalten der guten alten Zeiten zurück. Zu Weihnachten wird in Deutschland auf jedem Dorf- und Stadtplatz ein Weihnachtsmarkt errichtet, genauso wie auf der Piazza Navona in Rom. Mundgeblasene Glaskugeln für den Baum und echte Bäume werden verkauft, Spielzeug aus Holz und Blech, das den Büchern meiner Kindheit entsprungen scheint (ich gebe ja zu, daß das eine oder andere made in Hongkong ist), Spieldosen, deren Melodien sich miteinander vermischen, Stille Nacht, Jingle Beils, White Christmas, genauso verschlingen sich die Düfte der Imbißbuden ineinander, Würstel aller Art, Bratkartoffeln mit Speck und Zwiebeln, Zuckerwatte und Kartoffelpuffer, wie man sie sonst nirgends findet. Eine scheußliche Mischung? Ich finde nicht. Kinder können Wurst und Karamel durchaus miteinander vereinbaren. Zu Weihnachten beweisen die Deutschen, daß sie die Geheimnisse der Kindheit nicht vergessen haben. Bei uns ist es ein Ritus des Konsums, hier hat das Fest seinen vertrauten familiären Rahmen behalten. Konsum findet zwar statt, aber nicht über eine bestimmte Grenze hinaus. Der Soziologe Scherhorn meint, nur 20 Prozent würden ihren gesellschaftlichen Status mit dem Konsum verbinden und sich von der Werbung verführen lassen.
In keinem Schaufenster liegen zu Ostern solche TyrannosaurusRex-Eier, wie sie in unseren Konditoreien verkauft werden. Die Schokoladeneier sind selten größer als gewöhnliche Hühnereier, und die Überraschungen sind symbolischer Art. Aber es gibt überall Eier, und sie werden Ihnen auch dort angeboten, wo Sie es am wenigsten erwarten würden. Ich meine echte Eier, die derjenige, der sie Ihnen schenkt, eigenhändig bemalt hat, raffiniert oder naiv, Art déco oder einfach bunt. Der Zeitungshändler überreicht sie Ihnen und die Stewardeß bei der Lufthansa, Sie finden sie im Hotelzimmer, und man serviert sie Ihnen nach dem Essen.
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